Hengst Paul und die Stuten
Eine liebe Bekannte besuchte mich spontan auf eine Tasse Kaffee. Schnell bemerkte ich, dass sie etwas bedrückte und auf meine Nachfrage sprudelte es aus ihr heraus:
„Paul geht es sehr schlecht, ich glaube er schafft den Fellwechsel nicht.“
Da musste ich schnell mal in mich gehen und nachdenken. Ihr Mann hieß doch nicht Paul und was meinte sie mit Fellwechsel?
Fragend sah ich sie an.
„Mein Hengst“, sagte sie, und erklärte mir, dass Paul eingehen kann, wenn er eben besagten Fellwechsel nicht mehr schafft und der Tierarzt ihr schonungslos gesagt hatte, er könne nichts mehr für Paul tun, er sei halt schon zu alt.
Nun, mit Pferden kenne ich mich in der Tat nicht aus, aber da brauchte ein Wesen Hilfe, und somit war meine Bekannte dann doch an der richtigen Stelle.
Um mir zu zeigen, was sie meinte, fuhren wir gemeinsam in den Stall. Und da stand er vor mir, der Paul. Sein Fell sah struppig und stumpf aus, wie auch seine Augen, also diese nur stumpf.
Mit hängendem Kopf warf er mir einen Blick zu, der eindeutig sagte: „Ich will nicht mehr!“
Was für ein Leben war das denn noch. Die Mädels (Stuten) beachteten ihn nicht mehr, was ja schon schlimm genug war, aber nicht mal mehr der mikrigste Hengst versuchte, sich mit Paul anzulegen.
Schweigend sah ich ihn eine Weile an und meine Bekannte mich.
„Colostrum“, sagte ich nach einer Weile. „Versuche es mit Colostrum.“
Das tat sie dann auch. Paul war bereits nach drei Tagen so versessen auf sein Colostrum, dass meine Bekannte die Dose mit dem Pulver verstecken musste.
Der Fellwechsel klappte wunderbar.
An einem schönen Frühlingstag sah ich besagte Bekannte im Ort. Sofort steuerte sie auf mich zu und bat mich strahlend, mir die Zeit zu nehmen, und zu Paul zu fahren. Ausserdem müsse sie unbedingt etwas erzählen. Da ich ja so überhaupt nicht neugierig bin, fuhr ich mit.
Vor einer Weide, auf der sich mehrere Pferde tummelten, stiegen wir aus.
„Schau selber“, sagte sie.
„Schöne Tiere“, sagte ich artig und wollte schon nach Paul fragen. Denn auf der Weide war nirgendwo ein alter Hengst zu sehen, da schrillte ein Pfiff an meinem entsetzten Ohr vorbei und auf der Weide setzte sich ein schöner Brauner in Bewegung. Das war Paul!!!
Sein Fell glänzte, seine Augen glänzten und er tänzelte leichtfüßig auf uns zu.
„Donnerwetter!“, entfuhr es mir, und meine Bekannte platzte fast vor Stolz.
„So“, sagte sie, „und nun kommt die Geschichte, die ich Dir unbedingt erzählen muss!“
Vor einigen Tagen rief die Polizei bei ihr an. Es waren Hengste aus der Koppel ausgebrochen und vergingen sich zwei Dörfer weiter an den Stuten.
Als sie am Tatort ankam, glaubte sie nicht, was sie sah. Ganz vorneweg der Paul! Sie konnte gerade noch sehen, wie er mit einem eleganten Tritt einen hartnäckigen Junghengst vertrieb, dann war er mit seiner Braut hinter dem Hügel verschwunden.
Sie erzählte das so bildlich, dass mir vor Lachen die Tränen kamen und dann setzte sie mit einer Frage noch ein´s drauf : „Kann ich meinem Mann auch Colostrum geben?“
Nachdem ich wieder Luft bekam, konnte ich es bestätigen.
Ja, sie kann durchaus auch ihrem Mann Colostrum geben….aber bitte das für Menschen!